Die Politik versagt, sie kommt nicht ihrer Verantwortung nach:
Beispiel: Die Grundrente
Seit Jahrzehnten wissen die legislativen Entscheidungsträger, daß das bisherige Generationsmodell der gesetzlichen Rente direkt weg ins Unheil führt. (Immer mehr Rentner und Renterinnen und immer weniger Sozialversicherte Einzahler und Einzahlerinnen. Besonders Frauen weniger Beitragszeiten haben, weil sie sich um Kinder und Pflegebedürftige gekümmert haben oder ein Ehrenamt ausgeübt haben, erhaltne im Alter niedrige Renten. 2022 wurde die Grundrente geschaffen, die ja dann vor Altersarmut schützen soll?
1. Bedingung: Man muss 33 beziehungsweise 35 Jahre Beiträge in die Gesetzliche Rentenversicherung erbracht haben. Dazu zählen Pflichtbeitragszeiten von Beschäftigten und Selbständigen, Zeiten der Kindererziehung und Pflege sowie Zeiten, in denen während Krankheit oder Rehabilitation eine Leistung bezogen wurde.
2. Bedingung: Während der Erwerbstätigkeitsphase müssen Beiträge in von mindestens 30% und höchstens 80% des Durchschnittsverdienstes aller Einzahler geleistet worden sein.
3. Bedingung: Einkommensgrenzen nach dem Steuerbescheid. Wer die Bedingungen 1 und 2 erfüllt, bei werden geprüft ob weitere Einkommen vorliegen, auch das Einkommen des Ehepartners wird berücksichtigt. Damit ist die Idee vom Tisch, die Grundrente sei eine Anerkennung der Lebensleistung.
Wer nach diesem hochkomplizierten System nicht durchs Raster gefallen ist, kann einen Zuschlag auf die Rente in Höhe bis zu 420 Euro erwarten. Die Gesamtrente würde dann etwa einen Betrag in Höhe von 840 Euro ausmachen.
Das Bundesministerium für Soziales und Arbeit rechnet mit 1,5 Millionen Personen, die dann noch einen Anspruch auf einen Zuschlag zur Rente haben. Ferner wird der durchschnittliche Zuschlag auf ca. 75 Euro geschätzt.
Und mit diesem Machwerk will man den Bürgern und Bürgerinnen ernsthaft verkaufen, Armut im Alter künftig verhindert zu haben.
Wenn es nicht so traurig wäre, müsste man lachen.
Weder die Bundesregierungen noch die einberufenen Beiräte haben folgendes Problem nicht ernsthaft durchdacht, geschweige nach einer wirklichen Lösung gesucht.
In Deutschland lag 2022 die durchschnittliche monatliche Höhe der Altersrente einer Frau bei 1072 €, die eines Mannes betrug 1.278 € und damit geht es inzwischen Männern wenig besser als Frauen. (Bei den Frauen haben 44% eine gesetzliche zwischen 600 und 1200 Euro, was i.d. R. gerade einmal die Kosten für das Wohnen deckt. Lediglich 19% aller Frauen beziehen eine Rente zwischen 1200 und 1800 Euro) Quelle: Statistik der Deutschen Rentenversicherung - Rentenstand: 31.12.2022
Die Bundesregierung verweist oftmals darauf, das die gesetzliche Rente lediglich eine Quelle des Einkommens ist. Aus betrieblicher Rente, Vermögen und Vermietung kämen beispielsweise weitere hinzu. Die Realität spiegelt allerdings kaum wieder. Für die Mehrzahl der Rentner und Rentnerinnen ist die gesetzliche Rente wichtigste und oftmals einzige Bezugsquelle im Alter.
In seinem Armutsbericht 2020 stellt der paritätische Wohlfahrtsverband auf Seite 18 fest: "Die stärkste, sehr kontinuierliche und im Trend dramatische Zunahme von Armut ist bei Rentner*innen und Pensionär*innen festzustellen: Lag ihre Armutsquote 2006 noch bei 10,3 Prozent, waren es 2019 bereits 17,1Prozent. Dies bedeutet einen besorgniserregenden Anstieg um 66 Prozent.
Neben der nackten Angst der Existenzsicherung ist die Regelung zur Rente eine Frage der Gerechtigkeit.
Das Thema. Rente ist mitten in der Gesellschaft angekommen. Zur Zeit wird dieses Thema von allen gesellschaftliche relevanten Gruppen aufgenommen. Der DEF hat sich schon seit Jahren gewarnt, vor einem Dasein im Alter aus Grundsicherungsniveau. Wünsche, die man immer auf die Zeit nach der Erwerbsphase hinaus geschoben hat, werden unerfüllt bleiben. Wir befürchten, es wird nahezu alle Menschen betreffen, dennoch sind Frauen besonders benachteiligt: Denn insbesondere für Frauen, die lange Zeiten im Beruf zugunsten anderen Menschen pausiert haben. Wer sich um eine gute Erziehung der Kinder oder um die Pflege Angehöriger aufgeopfert hat, wird im Alter mit Armut bestraft. Auch mit der sukzessiven Kürzung der Witwenrenten werden immer mehr Menschen gezwungen sein, ihre Energie in eine Berufstätigkeit bei Vollzeit zu investieren, sich also in erster Linie nur um sich selbst zu kümmern. Für Familie, Freunde, Ehrenamt wird künftig noch weniger Zeit sein. Dies wird die Entsolidarisierung der Gesellschaft noch beschleunigen!
Armut durch „zu viel Familiensinn“?
1. Familienarbeit muss genauso entlohnt und damit auch gesellschaftlich wertgeschätzt werden wie Berufstätigkeit.
Männer und Frauen ist mehr Anerkennung für Familienarbeit zu zollen. Wer sich um Kinder unter 10 Jahren oder sich pflegebedürftige Menschen kümmert, dem ist in der gesetzlichen Rentenversicherung eine Anrechnung in Höhe des durchschnittlichen Einzahlungsbetrages zu vergüten. Betrachtet man die demographische Entwicklung, wäre dies für den Staat die eindeutig günstigere Variante gegenüber der Fremdbetreuung, zum Beispiel in Horts, Kitas, Heime, etc.
2. Die gesetzliche Rentenversicherung ist für viele die einzige Möglichkeit fürs Alter vorzusorgen. Und selbst wenn Ansparreserven da sind, lehrt die derzeitige Kapitalmarktkrise, auf private „Altersvorsorge“ ist kein Verlass. Die viel beschworene private Altersvorsorge wurde durch die „europäische Nullzins-Politik“ ad absurdum geführt. Wenigstens die Legislative muss es leisten, dass finanzielle Alterssorgen für die kommende Rentner- und Rentnerinnengeneration deutlich und zuverlässig gemildert werden.
3. Maßnahmen für mehr Lohngerechtigkeit
Noch immer verdienen Frauen in Deutschland im Durchschnitt mehr als ein Fünftel weniger als männliche Kollegen. Lohngerechtigkeit ist auch eine Basis für eine eigenständige wirtschaftliche Lebenssicherung. Es ist nicht hinnehmbar, dass Frauenarbeit schlechter bewertet wird als männliche Arbeit bei gleichwertigen Leistungen.
4. Paradigmenwechsel in der Bewertung von Arbeit, - Ehrenamt - CARE-Arbeit
Eine veränderte Lebenswelt, in der sich Rollenbilder verändern und weiter hin zu einer wirklichen Emanzipation verändern, in der Arbeitsplatzsituationen zunehmend fragiler werden (Praktika, befristete Verträge, höhere Anforderungen an Mobilität und Erreichbarkeit, verdichtete Arbeitsprozesse, u. s. w. taucht für viele Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen vermehrt die Frage nach den eigenen Ansprüchen und Prioritäten auf, im Neudeutschen gerne: Work-Life-Balance genannt. Das heißt aber auch die klassische männliche Erwerbsbiographie von 40 - 45 Jahren sozialversicherungspflichtiger Arbeit bei ein oder zwei Arbeitgebern wird der Vergangenheit angehören. Die einstige Regel wird die Ausnahme.
5. Die gesellschaftliche Verpflichtung Menschen vor Armut im Alter und bei Krankheit zu schützen.
Das ist nur erreichbar, wenn eine Bürgerversicherung eingeführt wird, in die alle Personen, die aus verschiedenen Quellen Einkommen beziehen, in den Solidarfonds einbezahlen.
6. Eine Absicherung über Grundsicherungsniveau
Wer nachweisen kann, dass er oder sie 30 Jahre für die Gesellschaft Beiträge geleistet hat, das können sein: Kindererziehung, Betreuung von pflegebedürftigen und kranken Angehörigen oder Personen des persönlichen Umfelds, Ehrenamtsfunktionen und Erwerbsarbeit geleistet hat, dem sollte eine Rente sicher sein, die 30% über dem Grundsicherungsniveau liegt, wer 40 Jahre und mehr geleistet hat, sollte sicher sein, 50% über dem Grundsicherungsbetrag als Rente zu erhalten.
7. Private Vorsorge
Wie die derzeitige Null-Zins-Politik und schlimmer die "Minus-Zins-Politik" der europäischen Zentralbank lehrt, kann private Absicherung kein sicheres Instrumentarium sein, sich vor Armut zu schützen.
8. Riester-Rente und Altersansparformen dürfen nicht mehr auf die Grundsicherung angerechnet werden.
Hier klafft eine große Ungerechtigkeit: wer in guten Jahren von seinem Gehalt Beträge für die Alterssicherung abgeknapst hat, dem sollen sie auch nicht auf die Grundsicherung angerechnet werden. Jeder Anreiz auf eigenverantwortliches Handeln wird damit ad absurdum geführt.
8. keine Anhebung des Renteneintrittsalters
Geradezu reflexartig und sich an alte Pfründe klammernd wird oft von Arbeitgeberseite die Erhöhung des Eintrittsalters gefordert und mit der gestiegenen Lebenserwartung begründet. Eingedenk der zunehmenden Gründe für ein krankheitsbedingtes vorzeitiges Ausscheiden aus dem Berufsleben führt dies nur zu einer weiteren Absenkung des Rentenbetrages. Damit ist keine Altersarmut zu stoppen, sondern dadurch entsteht Altersarmut.
Will man, so wie die Politikerinnen und Politiker gerne bekennen, die Ehrenamtlichkeit fördern, muss man das Renteneintrittsalter senken. Studien beweisen, die die Hauptgruppe der Ehrenamtlichen engagiert sich nach der Erwerbsphase und ist zwischen 60 und 69 Jahre alt. Eine Gesellschaft kommt ohne das Engagement Ehrenamtlicher nicht aus, daher fordern wir das Renteneintrittsalter auf 62 Jahre zu senken.
9. Die Einführung der Grundrente
Der Vorschlag der SPD zur Grundrente ging in die richtige Richtung. Leider erreicht das jetzige Gesetz zu wenige alte Menschen. Außerdem ist die Summe nicht den Realitäten angepasst, denn die Lebenshaltungskosten, wie Miete, Ernährung und Möglichkeiten zur gesellschaftlichen Teilhabe sind mit einem Betrag in Höhe von 840 Euro nicht gedeckt.
Es gibt dennoch eine Verbesserung. Denn diejenigen werden erleichterte Bedingungen gegenüber der bisherigen Grundsicherung erhalten, die mindestens 30% des durchschnittlichen Betrags 33 Jahre lang geleistet und weitere Bedingungen erfüllt haben. Denn für diese Leistung werden sie dann nicht mehr die Grundsicherung beantragen müssen, sondern diese ohne Antrag direkt über den Rentenversicherungsträger erhalten. Soll das jetzt der große Wurf aus der Armutsfalle sein? um. Die großtönend vorgestellte Grundrente löst das Problem nicht, denn die Voraussetzungen sind so eng gesetzt, so dass lediglich ein kleiner Teil der Menschen in den Genuss kommt. Ein erheblicher Teil wird weiterhin auf Grundsicherung angewiesen sei. Von einer Anerkennung der Lebensleistung, die die Rente eigentlich sei sollte, ist der Gesetzgeber in Berlin weit entfernt.
10.Fürsorgepflicht des Staates
Mittelfristig wird man das bisherige generationenfinanzierte Umlagesystem aufgeben müssen, will der Staat seiner Aufgabe als solidarische Gemeinschaft gerecht werden, die einspringt, wenn der einzelne dazu nicht in der lange ist. Eine soziale Verantwortung, die elementare Notlagen wie Krankheit und Alter, absichert gehört zum Selbstverständnis eines modernen humanistischen Staatswesens.
11. Vorschlag des DEF Hannover
Zur realen Lebenssicherung im Alter muss es eine durchgreifende Reform geben. Wir stellen dazu folgenden Vorschlag zur Diskussion:
Wer 40 Jahre Beiträge zur Sozialversicherung geleistet hat, erhält als Rentenzahlung einen Betrag von Euro 1600,00.
Wer 30 Jahre Beiträge geleistet hat, erhält als garantierte Rente 1300,00 Euro.
Alle anderen erhalten als Grundrente 1000 Euro. (Stand: 2022*)
Die Rentenbeträge sind Nettobeträge, also nach Abzug von Kranken- und Pflegekassenbeiträge. Einfache administrative und für alle nachvollziehbare Ausgestaltung, kaum Ausnahmen, lediglich Anrechnung von Kindererziehung und Pflegezeiten und Arbeitslosigkeit. Berechnung für jede Person einzeln, keine Berücksichtigung nach Familienstand.
12. Keine zusätzlichen Verwaltungsbehörden
Die Beantragung der Rente ist hierzu so unbürokratisch wie möglich zu gestalten. Eine kleinliche administrative Überprüfung, ob Frauen und Männer, die jahrelange für das gesellschaftliche System gearbeitet und darin eingezahlt haben, stellt die Menschenwürde in Frage.
13. Keine "Neid-Diskussion"
Die Rente sollte so unbürokratisch wie möglich ausgezahlt werden. Eine Überprüfung der Einkommens- und Lebensverhältnisse des Ehepartners ist bei einer Rente, die eine Anerkennung für die Lebensleistung sein soll unredlich. Das Narrativ von der wohlhabenden Arztwitwe, die eine solche Zahlung überhaupt nicht benötigt, ist wenig hilfreich. Es mag einige Fälle geben, in denen so gut gestellt ist, dass eine weitere Rente nicht notwendig ist, dies steht jedoch in keinem Verhältnis zu der Vielzahl der Frauen und Männer, die im alter von Armut bedroht sind.
In anderen europäischen Ländern, wie die Niederlande, Norwegen, Schweden etc. gibt ebenfalls eine sogenannte "Bedarfsprüfung." Sogar die Königin der Niederlande erhält ab dem 65. Lebensjahr eine Grundrente. Das Modell Österreichs garantiert ebenfalls eine auskömmliche und sichere Rente. Dort hat man rechtzeitig alle Arbeitenden, so auch Beamte in das System einbezogen.
*Jährlich sollte eine inflationsbedingte Überprüfung zwecks Rentenanpassung stattfinden.